Die Memberships sind zurück. Aber anders

Warum Washington Post, Axios und Monocle Premium-Abos einführen

Diese Woche war viel los. In den News findet ihr spannende Statistiken und einen Vorstoß zu News-Bundles. Und im Deep Dive erkläre ich, warum Memberships gerade wieder in Mode zu kommen scheinen.

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1. Deep Dive

Die Memberships sind zurück. Aber anders

Die letzten Monate erinnern mich oft an das Jahr 2016. Damals steckten die meisten Paid-Content-Modelle noch in den Kinderschuhen (oder waren noch gar nicht geboren) und Verlage suchten nach einem tragfähigen Modell für die Zukunft.

Ein Ansatz stand damals hoch im Kurs: Memberships und Club-Modelle. Der Guardian hatte ein Membership-Modell und Handelsblatt und WirtschaftsWoche haben den Wirtschaftsclub gestartet. Und wir haben bei der ZEIT begonnen, das Abonnentenprogramm “Freunde der ZEIT” zu entwickeln.

Warum ich daran denken muss? Das Wort “Membership” habe ich in den letzten Jahren fast gar nicht mehr gehört. Und jetzt taucht es wieder auf. Aber anders. Zum Beispiel bei der Washington Post, bei Axios und beim Monocle.

Damals war die vorherrschende Meinung noch, dass die meisten Menschen im Internet nicht für Inhalte bezahlen werden. Aber man hatte Hoffnung, dass sie für eine Gemeinschaft, für Events, für exklusive Vorteile ein Abo abschließen würden.

Viele der damaligen Programme wurden inzwischen wieder eingestellt. Den Wirtschaftsclub gibt’s beim Handelsblatt nicht mehr, aber er lebt im Media Pioneer weiter. Der Guardian hat sein Membership-Modell gestrichen und bittet stattdessen um Spenden.

Aber was sind Memberships überhaupt?

Memberships unterscheiden sich zu Abos in zweierlei Hinsicht:

  1. Sie sind von einer anderen Motivation getrieben.

    Während Abos transaktional auf den Eigennutz abzielen und dir Zugang zu exklusiven Inhalten bieten, sind Memberships meist von einem Missions-Gedanken getrieben.

    Dort bezahlt man nicht nur für den eigenen Zugang, sondern um die Arbeit der Redaktion möglich zu machen. Sie sind also irgendwo zwischen Spenden und Abos, weil man im Gegensatz zu Spenden durchaus Vorteile erhält, aber auch das wohlige Gefühl, Teil von etwas Großem zu sein.

  1. Memberships setzen meist auf ein höheres Involvement

    Die Mitglieder sind nicht nur Konsumenten, sondern (je nach Modell) Miteigentümer, Community, Diskutanten, Event-Gäste, … Sie können zu Hauptversammlungen kommen, sich bei Konferenzen einwählen oder sich mit anderen Mitgliedern vernetzen.

Wieso sind Memberships aus der Mode gekommen?

Ich habe dazu eine These. Kann Quatsch sein, aber so ist das halt mit Meinungen. Mein Eindruck ist, dass die meisten Membership-Modelle nur eine kleine Nische Journalismus-begeisterter Superfans angesprochen haben.

Natürlich gibt es tolle Startups wie Krautreporter und Republik in der Schweiz, bei denen die Membership in der DNA steckt, aber während die Paywalls der großen Verlage in wenigen Jahren über 100.000 zahlende Kunden gewinnen konnten, sind die Mitgliedschaften im fünfstelligen Bereich geblieben. Diese Zahlen sind für so junge Unternehmen beeindruckend und natürlich hinkt der Vergleich, wenn man die Ressourcen und Historie der Unternehmen berücksichtigt.

Dennoch wird relativ deutlich: Die Mehrheit der Menschen zahlt eher, weil sie zum 50. mal frustriert an eine Paywall stößt, als für die Teilhabe am Journalismus.

Wieso kommen sie jetzt wieder?

Die neuen Modelle haben eines gemeinsam: Sie sind ein Premium-Produkt für eine hoch-engagierte Nische. Sie wollen nicht die Zukunft des Abonnements sein, sondern ein Upgrade für zahlungskräftige Kunden. Und damit zahlen sie auf einen Trend ein, der gerade die ganze Abo-Branche beschäftigt: Wie bekommt man den ARPU (Average Revenue per User) hoch?

In den ersten Jahren der Paid Content-Modelle ging alles um Wachstum. Man wollte möglichst schnell möglichst viele Abonnenten gewinnen und war dafür bereit, sehr günstige Angebote zu machen. Irgendwann wurde es dann schwieriger, noch neue Kunden zu finden.

Im nächsten Schritt hat man sich auf die Laufzeiten fokussiert. Der Churn musste runter, das Engagement hoch. Das hat viel gebracht, aber gleichzeitig haben sich Nutzer*innen daran gewöhnt, Abos regelmäßig zu kündigen oder zu pausieren.

Also bleibt der dritte Hebel, wenn man den Umsatz steigern möchte: Der Preis. Gerade versuchen alle von Netflix, über Spotify bis Amazon Prime ihre Abo-Preise bis an die Schmerzgrenze teurer zu machen. Und das führt meistens auch dazu, dass man mit Preisdifferenzierung und mehreren Paketen verschiedene Zahlungsbereitschaften abschöpft.

Und hier kommen die Memberships ins Spiel. Dazu drei Beispiele:

  1. Axios Communicators Pro: Axios ist ein Newsletter-First-Fachverlag, der Verticals für viele verschiedene Branchen anbietet. Die meisten sind kostenlos und werbefinanziert, manche sind hinter der Paywall. Und seit kurzem gibt es die erste Membership: Sie richtet sich an Kommunikations-Entscheider*innen und kostet 1.000 $ pro Jahr. Dafür bekommt man exklusive Event-Einladungen, Ask me Anythings bei der zuständigen Redakteurin, Breaking News und Trend-Reports.

  2. Monocle Patron Circle: Über dieses Modell findet man online fast keine Informationen und ich habe es nur durch einen Hinweis von Johannes Klingebiel entdeckt (Danke!). Für einen hohen, nicht näher definierten Preis bekommt man alle Print-Ausgaben, eine exklusive Tasche, Dinner mit der Redaktion, eine Einladung zu einer Bootstour, exklusiven Zugang und vieles mehr.

  3. Washington Post Membership: Nachdem die Washington Post im letzten Jahr 77 Mio. $ Verlust gemacht hat und jetzt in der Redaktion sparen muss, wollen sie ihre Abo-Angebote neu aufstellen. Dazu gehört auch eine Membership, die noch nicht detailliert beschrieben wurde, aber Zugang zu exklusiven Events und Foren bieten soll.

All diese Modelle sollen das Abo nicht ersetzen, sondern sind ein Fanclub für die treusten (und reichsten) Leserinnen und Leser. Und durch das Premium-Pricing kann man gut rechtfertigen, dass in die Betreuung dieser Kunden auch Aufwand gesteckt wird.

Ich bin gespannt, ob dieser Trend anhält und bald auch nach Deutschland kommt. Mit Table.Briefings, Tagesspiegel Backgrounds und Co. entsteht gerade schon ein Markt für hochpreisige B2B-Abos, aber aktuell positionieren sie sich nur als exklusive Content-Angebote und weniger als Communities und Memberships. Aber das kann ja noch kommen.

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2. News

👉 Der Reuters Digital News Report 2024 ist raus und zeigt unter anderem eine Stagnation in der Nutzung von Paid Content (Reuters Institute)

👉 Kommt ein Spotify für Journalismus? Nicht ganz, aber Spiegel und FAZ arbeiten an einer Plattform für Bundles aus verschiedenen Abos (Medieninsider)

👉 Workweek gehört mit 500.000+ Followern in 8 Verticals zu den aktuell spannendsten Newsletter-Startups. Mit 12,5 Mio. $ Funding wollen sie zu einem Netzwerk für Professionals aus unterschiedlichen Branchen wachsen. (Workweek)

👉 Adobe konnte den Abo-Umsatz in 10 Jahren um das 16-fache steigern (Chartr)

👉 Der State of Subscription Report von Antenna zeigt, dass die Kündigungen bei Streamingdiensten stark zunehmen und das Wachstum erschweren (Antenna)

3. Events

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