Ein Jura-Crashkurs für Abo-Profis

Was du über Vertragsrecht wissen musst

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In den letzten Jahren habe ich einen fantastischen Lifehack für mich entdeckt: Immer, wenn ich juristische Fragen habe, mache ich daraus einen Podcast. Das spart mir viel Geld, und diese Ersparnis gebe ich heute an euch weiter, denn: Wenn wir über Abos sprechen, dann sprechen wir im Grunde immer über Verträge. Daher ist es eigentlich verwunderlich, dass ich nach drei Jahren Podcast erst jetzt einen Deep Dive ins Vertragsrecht mache.

Was im ersten Moment vielleicht trocken klingt, sollte Basiswissen für jeden Abo-Profi sein. Wer bei der Abo-Bestellung, bei Preisänderungen oder beim Kündigungsprozess Fehler macht, kann es anschließend bitter bereuen.

Deswegen spreche ich mit Anwalt Julian Diefenbach von der Kanzlei SKNE (Senfft Kersten Nabert van Eendenburg) darüber, was wir in den einzelnen Phasen unbedingt beachten sollten.

Und ich kann nur sagen: Ich hatte großen Spaß daran, mit ihm in die juristischen Feinheiten einzutauchen und hoffe, euch geht es ähnlich!

Was du über Jura wissen solltest

Foto: Chantal Seitz

1. Cui bono? Wer könnte euch verklagen?

Die alte Floskel besagt: Wo kein Kläger, da kein Richter. Entsprechend finde ich es bei juristischen Fragen immer hilfreich, zuerst zu klären, wer ein Interesse und die rechtlichen Möglichkeiten haben könnte, mich zu verklagen.

Bei Abo-Verträgen sind das vor allem vier Parteien:

  • Einzelne Abonnent*innen, die zum Beispiel die Gültigkeit ihrer laufenden Verträge anfechten, eine fristlose Kündigung erwirken möchten, oder gegen einseitige Vertragsänderungen, wie zum Beispiel Preisänderungen vorgehen

  • Verbraucherschutzorganisationen, die auf Unterlassung bestimmter Praktiken klagen können

  • Wettbewerber, die euch des unlauteren Wettbewerbs beschuldigen

  • Aufsichtsbehörden, die Bußgelder bei Verstößen z. B. gegen den Datenschutz oder auch gegen den Verbraucherschutz verhängen können

Die Konsequenzen einzelner Verfahren sind sehr unterschiedlich. Ein einzelner ungültiger Vertrag ist vielleicht noch zu verschmerzen, aber wenn tausende Kunden rückwirkend gegen eine Preiserhöhung klagen (siehe DAZN) und Recht bekommen, drohen Rückzahlungen in Millionenhöhe.

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2. Vorsicht bei der Vermischung von B2C- und B2B-Verträgen

Viele Unternehmen verkaufen ihre Abos sowohl an Verbraucher als auch Unternehmen. Da Endverbraucher in Geschäftsbeziehungen oft als schwächere Partei angesehen werden, genießen sie einen besonderen Schutz und erhalten damit auch stärkere Rechte. Darunter fallen z. B. ein 14-tägiges Widerrufsrecht und Richtlinien zur Barrierefreiheit.

Julian rät daher dazu, die beiden Angebote rechtlich klar voneinander zu trennen. Denn wenn auch Privatpersonen ein Business-Abo abschließen können, gelten dafür automatisch die strengeren Richtlinien.

3. Was ihr beim Vertragsabschluss beachten müsst

Wenn ihr beim Abschluss eines Vertrages eure Kunden nicht transparent informiert, dann lauft ihr Gefahr, dass die Verträge im nachhinein angefochten werden. Daher solltet ihr unbedingt auf diese Aspekte achten:

Schreibt nicht “Kostenlos testen” auf eure Bestellbuttons, wenn sich das Abo danach automatisch kostenpflichtig verlängert. Stattdessen muss dem Kunden klar sein, dass er gerade ein bezahlpflichtiges Abo bestellt, auch wenn die ersten Wochen kostenlos sind und er in der Probephase jederzeit kündigen kann.

Weist die vollständigen Preise pro Zahlungszyklus aus: Viele Abos werben mit Tages-, Wochen oder Monatspreisen. Wenn das Abo aber jährlich gezahlt wird, muss auch ersichtlich sein, welcher Betrag auf dem Kontoauszug stehen wird. Ich finde die Stiftung Warentest macht das vorbildlich:

AGB müssen nicht aktiv akzeptiert werden. Ein häufiger Irrtum ist, dass im Bestellprozess ein Häkchen gesetzt werden muss, um die AGB zu bestätigen. Hier reicht aber ein transparenter Hinweis auf die verlinkten AGB, die der Kunde dann mit seiner Bestellung akzeptiert.

Falls ihr dynamische Preise einsetzt, müsst ihr darauf bei der Bestellung hinweisen. Aktuell sind automatische, personalisierte Preise bei Abos noch eher eine Ausnahme, aber wenn ihr solche Algorithmen nutzen wollt, müssen eure Kunden darüber informiert werden.

Die wesentlichen Eigenschaften eures Produktes sollen in den AGB definiert werden. Hier solltet ihr aber vorsichtig sein, denn was ihr versprecht, müsst ihr auch liefern. Achtet also bei der Formulierung eurer Produktleistung schon darauf, dass ihr euch Flexibilität für die Zukunft offen haltet, um eure Produkte anpassen zu können.

Zukünftige Preissteigerungen können teilweise bereits in den AGB festgehalten werden, aber es gibt enge Spielräume. Pauschale Klauseln, die Preise jederzeit ohne Zustimmung der Kunden zu ändern, sind in der Regel nicht gültig, aber feste Steigerungen wie z. B. bei einer Staffelmiete wären denkbar.

Vorsicht beim Ausschluss des Widerrufsrechts: Bei Fernabsatzverträgen haben Verbraucher grundsätzlich die Möglichkeit, 14 Tage lang ohne Angabe von Gründen von dem Vertrag zurückzutreten. Das kann vor allem dann zum Problem werden, wenn zum Start schon ein hoher Betrag anfällt und die Kunden ihren Abo-Vorteil direkt bekommen und danach vielleicht sofort zurücktreten. Für solche Fälle kann man bei Vertragsabschluss das Widerrufsrecht ausschließen, weil man mit der Leistungserfüllung sofort beginnt.

Julian warnt jedoch davor, denn wenn ihr dabei Fehler macht, verlängert sich die Widerrufsfrist auf ein Jahr und 14 Tage - ihr erreicht also das Gegenteil von dem, was ihr bewirken wolltet. Ein Fehler wäre zum Beispiel, wenn Kunden den Verzicht auf ihr Widerrufsrecht nicht aktiv mit einer klar formulierten Checkbox bestätigen oder ihr den Verzicht auf das Widerrufsrecht nach der Bestellung nicht noch mal auf einem dauerhaften Datenträger (z. B. E-Mail) bestätigt.

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4. Was ihr bei Preiserhöhungen und anderen Vertragsänderungen beachten müsst

Wir alle haben in den letzten Jahren zu spüren bekommen, was Inflation für Verbraucher und Unternehmen bedeutet. Insofern ist klar, dass Abo-Verträge nicht auf alle Ewigkeit gelten, sondern regelmäßig auf die aktuelle Weltlage und Unternehmensstrategie angepasst werden müssen.

Die Preise sind dafür das prominenteste Beispiel, aber auch der Leistungsumfang kann sich schnell mal ändern. In der Regel gilt, dass einseitige Änderungen der Verträge rechtlich zumutbar sein müssen und in den meisten Fällen eine aktive Zustimmung der Kunden erforderlich ist.

Preisanpassungen sind zustimmungspflichtig: Bis auf wenige Ausnahmen (siehe Punkt 3) müssen eure Abonnenten aktiv zustimmen, wenn ihr die Preise erhöht. Nun steht ihr also vor der Frage: Was tun, wenn sie nicht einwilligen? 

Ab hier ist es eine unternehmerische Entscheidung: Entweder ihr lasst den Vertrag zum Ende der laufenden Periode enden und verliert damit einen Kunden, oder ihr seid kulant und verlängert die alten Konditionen vorerst, um die Beziehung zu sichern. Bei letzterem solltet ihr aber Vorsichtig sein, denn langfristig kann das eurer Preisdurchsetzung schaden, vor allem wenn es sich unter Kunden rumspricht. Hier gilt wieder das Lieblingszitat von Pricing-Experte Florian Bauer aus einer früheren Podcast-Folge: “Die Preisakzeptanz ist ein Muskel, der trainiert werden muss”.

pacta sunt servanda: Kein Jura-Podcast ohne ein bisschen Klugscheißer-Latein. In diesem Fall: “Verträge sind einzuhalten”. Bedeutet: Wenn ihr in euren AGB eine Leistung versprecht, also den Zugriff auf eine App, ein E-Paper oder ein Kundenbindungsprogramm, dann müsst ihr diese Leistung auch erbringen, solange die entsprechenden Verträge laufen. Entscheidet also sehr genau, was ihr wie konkret versprecht, um in Zukunft nicht unflexibel zu werden.

Tipp: Wir Menschen schieben Entscheidungen gerne auf, vor allem, wenn es ums Geld geht. Deswegen könnt ihr wie Disney+ einen zweiten Button einbauen, um später erinnert zu werden. Das nimmt den Druck raus, sofort eine Entscheidung zu treffen und ist besser als ein “Ablehnen”-Button, denn Ablehnen würde ja de facto “kündigen” bedeuten.

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5. Was ihr bei der Vertragsverlängerung beachten müsst

Eine Vertragsbindung darf für maximal zwei Jahre festgelegt werden. Nach dem Ende der ursprünglich vereinbarten Vertragslaufzeit müssen Verträge mindestens monatlich kündbar sein

Das müsst ihr ihnen im Bestellprozess mitteilen und es muss auch in der Zusammenfassung des Vertrages nach Vertragsschluss (Vertragsbestätigung) stehen. Ein erneuter Hinweis nach dem Ende der ersten Laufzeit auf das nun bestehende Kündigungsrecht ist aber nicht zwingend.

Um Abonnenten wieder in eine Vertragsbindung zu bekommen, versuchen viele Anbieter nach dem Ende der ersten Laufzeit einen neuen Vertrag abzuschließen. So bietet beispielsweise O2 den Bestandskunden Treue-Angebote an und wenn sie dann zu einem neuen Vertrag wechseln beträgt die Mindestlaufzeit wieder 24 Monate.

Die monatliche Kündigungsfrist bedeutet übrigens nicht, dass ihr dann auch monatlich abrechnen müsst. Die monatliche Abbuchung erinnert Abonnenten regelmäßig an das Abo und ist ein Anlass, über eine Kündigung nachzudenken. Daher kann es sich lohnen, trotz monatlicher Kündigung bei einer jährlichen Abrechnung zu bleiben. Denkt dann nur daran, dass ihr bereits bezahlte Abo-Beiträge zurückzahlen müsst, wenn die Abonnenten vorzeitig kündigen. Idealerweise unterstützt euer Abo-Management-System solche automatischen Rückzahlungen, sodass ihr keinen manuellen Aufwand damit habt.

6. Was ihr bei der Kündigung beachten müsst

Seit das Recht auf faire Verbraucherverträge im März 2022 in Kraft getreten ist, müsst ihr auf eurer Website einen einfachen Kündigungsprozess mit zwei Klicks anbieten (sofern man bei euch Online-Verträge abschließen kann). Auch beim Kündigungsprozess gibt es einiges zu beachten:

Der Kündigungsbutton muss auf der Website einfach auffindbar sein. Die gängige Praxis ist im Footer mit einer Beschriftung wie “Verträge hier kündigen”.

Beispiel: Urban Sports Club

Auf der folgenden Seite muss das Abo mit einem Klick kündbar sein und die Schaltfläche muss einfach auffindbar sein.

Kündigungsvermeidungsmaßnahmen wie Umfragen oder persönliche Angebote, sind grundsätzlich weiterhin möglich, solange sie optional sind und nicht von der Ein-Klick-Kündigung ablenken. Hier gibt es einen gewissen Ermessensspielraum.

7. Was ihr bei der Rückgewinnung beachten müsst

In meinen Beratungsprojekten merke ich immer wieder, dass es eine gewisse Unsicherheit gibt, ob und wie lange man ehemalige Abonnenten nach einer Kündigung noch mit E-Mails kontaktieren darf. Grundsätzlich sind die Möglichkeiten recht groß und Julian betont, dass man zunächst klären sollte, auf welcher Rechtsgrundlage der Kontakt aufbaut. Dafür gibt es zwei Möglichkeiten:

  1. Eine aktive Einwilligung, dass die Nutzer von euch Marketing-Botschaften bekommen. Diese kann vor dem Abo gegeben worden sein, bei der Bestellung oder im Laufe des Abos. Hauptsache sie ist gut dokumentiert und im Streitfall nachweisbar.

  2. Ein berechtigtes Interesse des Unternehmens, das zum Beispiel auf UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) §7 Absatz 3 beruht. Darin ist festgehalten, dass man Kund*innen über “eigene ähnliche Waren und Dienstleistungen” informieren darf. Da dieser Absatz sich nicht explizit auf Abos bezieht legt Julian ihn so aus, dass er auch nach dem Ende der aktiven Laufzeit gilt.

Beide Fälle gelten selbstverständlich nur solange der Kunde diese Einwilligung nicht aktiv widerrufen hat.

Einen festen Zeitraum, wie lange man Kunden nach dem Abo-Ende noch kontaktieren darf, gibt es nicht, aber wenn Nutzer nicht mehr damit rechnen können, von euch zu hören, dann erlischt eine Einwilligung automatisch. Praktisch bedeutet das, wenn ihr rund 1,5 Jahre nichts mehr geschickt habt, solltet ihr die Menschen in Ruhe lassen.

In dieser Hinsicht sind Abos ein bisschen wie Beziehungen: Zwei Jahre nach einer Trennung “Noch wach?” zu schreiben, ist einfach keine gute Idee.

Im Umkehrschluss bedeutet das aber auch, wenn ihr hofft, dass Ex-Abonnenten wieder zu euch zurückkehren, solltet ihr weiterhin in die Beziehung investieren, zumindest so lange ihr noch davon ausgehen dürft, dass der Kunde noch nicht jedes Interesse an Euren Angeboten verloren hat.

PS: Dieser Newsletter ist weder eine juristische Beratung, noch ein Beziehungsratgeber. Im Einzelfall solltet ihr immer euren eigenen Anwalt oder Beziehungstherapeuten zu Rate ziehen.

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Events

📅 19. Mai | Hamburg

Abo über den Tellerrand: Was bringt die Zukunft?

Bei der Jahrestagung des Bundesverbands Abonnement moderiere ich ein Panel über aktuelle Trends in der Abo-Welt. Von Churn-Prevention, über Verbraucherschutz bis zu KI in der Abo-Journey.

Auf der Bühne sind:

  • Enrique Tarragona (DIE ZEIT)

  • Donika Lilova (F.A.Z.)

  • Sophia Heinig (Circuly)

  • Torsten Müller (Urban Sports Club)

📅 22. Mai | Berlin

B2B Media Days

Ich spreche mit Anne-Kathrin Gerstlauer (TextHacks) und Simon Hurtz (Social Media Watchblog) darüber, was klassische Fachverlage von B2B-Creatorn lernen können.

📅 12. bis 14. November | London

Subscription Tour London

Nach Berlin und Hamburg findet die Subscription Tour zum ersten Mal international statt.

Wir besuchen:

  • The Economist

  • Business Insider

  • Flo Health

  • The Audiencers

  • FT Strategies

  • … und 3-5 weitere führende Abo-Unternehmen

Early Bird: Bis Ende April bekommst du den ermäßigten Preis (der normalerweise nur für Mitglieder der Deutschen Fachpresse gilt), wenn du bei der Buchung “Subscribe Now” unter Anmerkungen einträgst.

Was bisher geschah

Im Podcast findest du Interviews mit den spannendsten Köpfen der Subscription Economy. Von diesen Unternehmen kannst du lernen, wie man Abonnent*innen gewinnt und glücklich hält.

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