💸 Wie Axel Springer die Preise optimiert

Mit Pricing-Experte Sebastian Voigt

“Über Pricing spricht man nicht gerne” - das sagt mein Gast in der neuen Podcast-Episode und trotzdem hat er genau darüber einen Podcast gestartet:

Dr. Sebastian Voigt ist Partner bei der Unternehmensberatung hy und hostet den Podcast “Pricing Friends”. Darin spricht er mit Medienmanager*innen, Wissenschaftsjournalisten und Verhandlungstrainern, wie man die richtigen Preise findet und durchsetzt.

Gerade im Abo gehören Preise und Pakete zu den wichtigsten Fragestellungen und werden doch oft nach Bauchgefühl entschieden. Als Sebastian 2016 zu Axel Springer kam, wollte er dieses Bauchgefühl durch einen systematischen Prozess und rigoroses Testen ersetzen.

Wie er dort eine Pricing-Unit aufgebaut hat, die unterschiedliche Geschäftsbereiche unterstützt und wie sie die Modelle für ihre verschiedenen Marken von BILDplus, über Business Insider, The Pioneer bis Politico entwickelt haben, das erklärt er im Podcast

Wenn du lieber lesen möchtest, habe ich die wichtigsten Learnings aus diesen vier Preismodellen unten im Deep Dive für dich zusammengefasst …

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1. Deep Dive

Mit Pricing-Experte Sebastian Voigt

Das steckt hinter den Preismodellen von BILDplus, Business Insider, The Pioneer und Politico PRO

1. BILDplus

Das Preismodell für BILDplus wurde über die Jahre immer einfacher: Anfangs gab es noch verschiedene Pakete und Zeiträume zur Auswahl, aber jede zusätzliche Entscheidung, die Nutzer treffen müssen, hat zu weniger Abschlüssen geführt.

Da die Kund*innen sich an der Paywall recht impulsiv für das Abo entscheiden, sollte der Preispunkt ein absoluter No Brainer sein.

Aufgrund der großen Reichweite und der entsprechend vielen Paywall-Kontakte konnten sie den optimalen Preis in einem groß angelegten multivariaten Test ermitteln, bei dem sie ab 99 Cent in Ein-Euro-Schritten verschiedene Preise ausgespielt haben. 1,99 € hat sich dabei als optimaler Intro-Preis herausgestellt.

Dabei haben sie nicht nur die kurzfristigen Abschlüsse beobachtet, sondern auch die Survival Rates in den Monaten danach. Die ersten Tage und Wochen waren für die Haltbarkeit entscheidend, danach flacht die Churn-Rate deutlich ab.

Der lange Intro-Zeitraum von 12 Monaten soll dabei helfen, dass Nutzer*innen eine Gewohnheit mit dem Abo aufbauen. Wer ein Jahr regelmäßig gelesen hat, wird auch nach dem Sprung auf den Vollpreis dabeibleiben.

Der Abstand zwischen Intro-Preis und regulärem Preis nach einem Jahr hatte einen relativ geringen Effekt. Ob ein Nutzer von 1,99 € oder von 4,99 € auf 7,99 € springt, war für die Haltbarkeit nicht ausschlaggebend.

Da die BILD-Kunden recht preissensibel sind, hält Sebastian eine starke Preiskontinuität für wichtig. Würden die Preise permanent schwanken, kündigen einige Nutzer und schließen eine neues Abo ab.

Er glaubt auch, dass dynamische Preise basierend auf dem Nutzungsverhalten im Medienumfeld nicht durchsetzbar sind. Dafür ist das Thema zu emotional und die Angebote sind zu transparent.

Der grüne Button und der Call to Action “Hier gehts weiter” soll die Hürde zum Kauf abbauen. Hier ist einfache Farbpsychologie am Werk: Ein roter Button (passend zur BILD-CI) würde als Warnsignal aufgefasst werden, grün nehmen wir als sichere Option wahr.

Business Insider Deutschland

Business Insider USA

2. Business Insider (US vs DE)

Auch wenn Business Insider Deutschland und US relativ unabhängig arbeiten, sind die Preismodelle sehr ähnlich gestaltet. In der Preiskommunikation gibt es aber zahlreiche Unterschiede:

Die Amerikaner stellen den Intro-Preis von einem Euro dem kompletten Jahrespreis von 49 € gegenüber. In Deutschland werden die monatlichen Preise verglichen und der Intro-Preis von einem Euro steht vergleichsweise dezent auf dem Button.

Obwohl er bei diesem Preismodell keine Test-Daten kennt, glaubt Sebastian, dass es preispsychologisch noch Verbesserungsmöglichkeiten gibt:

So würde er bei dem deutschen Modell empfehlen, stärker auf Preisschwellen zu achten: Die 4,08 € liegen knapp über der vier Euro-Schwelle und wirken dadurch teurer als nötig während die Ersparnis knapp unter den attraktiveren 60 % liegt.

Außerdem ist Sebastian skeptisch, was die Rabattierung von Jahresabos angeht: Er glaubt nicht daran, dass man Neukunden für eine langfristige Bindung begeistern kann, weil sie den wahren Wert des Abos erst nach einigen Monaten beurteilen können. Diesen Punkt fand ich tatsächlich überraschend, weil der Branchentrend gerade dazu geht, längere Vertragslaufzeiten zu incentivieren.

Er würde immer empfehlen, zum Einstieg ein niedrigschwelliges, also preiswertes und flexibles Abo anzubieten und dann eine starke Markentreue aufzubauen.

3. The Pioneer

Dieses Modell basiert auf vielen Erfahrungen, die sie mit BILDplus gemacht haben: Das Abo startet niedrigschwellig mit einem extrem günstigen Preis. In den 10 Wochen sollen Neukunden genug Zeit haben, um eine tägliche Routine mit den Newslettern und Podcasts zu entwickeln.

In den ersten Jahren nach der Gründung haben sie auf Rabatte komplett verzichtet, und konnten damit treue Fans für sich gewinnen. Irgendwann war diese Zielgruppe aber ausgeschöpft und für weiteres Wachstum war ein günstigerer Einstieg nötig.

Eine Option, die sie getestet haben, waren getrennte Abos für Podcasts und Newsletter für jeweils 15 €. Die Idee dahinter war, dass es viele Nutzer*innen gibt, die nur hören oder nur lesen. Obwohl die Idee in Lesergesprächen sehr gut ankam, haben die Tests gezeigt, dass die Pakete kaum gekauft wurden. Sebastian vermutet, dass das Angebot dadurch zu komplex wurde und Menschen kein Produkt kaufen, das sich unvollständig anfühlt.

The Pioneer erreicht Teilzielgruppen, die eine deutlich größere oder kleinere Zahlungsbereitschaft haben, daher gibt für sie individuelle Angebote:

  1. Studierende zahlen 10 statt 25 €

  2. Familien bekommen 4 Zugänge für 40 statt 100 €

  3. Firmenkunden zahlen 50 € für PRO

  4. Und wer 850 € (pro Monat!) zahlen möchte, bekommt als Supporter exklusive Einladungen (limitiert auf 100 Supporter)

4. Politico PRO

Als reines B2B-Modell funktioniert Politico PRO ganz anders als die vorherigen Modelle. Die Abos werden nicht an der Paywall verkauft, sondern als Lizenzmodell mit Vertriebsmitarbeitern ausgehandelt. Dadurch ergeben sich einige Besonderheiten:

Die Preise sind auf der Website nicht einsehbar. Man kann eine kostenlose Demo buchen, um das Produkt kennenzulernen, aber die Preise erfährt man erst im Kaufprozess.

Dadurch können sie verschiedene Preispunkte nicht AB-testen und müssen stattdessen über Experteninterviews und Online-Marktforschung die Zahlungsbereitschaften herausfinden.

Das Abo ist für politische Entscheider*innen nicht Nice to have, sondern notwendiges Handwerkszeug, ohne das sie ihren Job nicht machen können.

Als wichtigstes Versprechen beschreibt Sebastian, dass man bei Gerichtsprozessen und politischen Entscheidungen innerhalb von 30 Sekunden informiert wird. Dadurch sind zum Beispiel Anwälte oder Lobbyisten sofort sprechfähig, wenn ihre Kunden bei ihnen nachfragen.

Die Preisstruktur ist vergleichsweise komplex und hängt davon ab, wie viele Lizenzen man abonniert, welche Analysetiefe man braucht, welche Verticals (also Politikfelder) man wählt, …

Über einen persönlichen Key Account Manager wird rechtzeitig über Vertragsverlängerungen oder Änderungen der Verträge verhandelt.

Preisdurchsetzung spielt hier eine große Rolle, denn auch wenn die Verträge individuell verhandelt werden, haben Vertriebsmitarbeiter in US-Konzernen nur einen relativ kleinen Spielraum, von der Preisliste abzuweichen.

Mehr Pricing-Tipps lernst du im Podcast:

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